Wollust des Lesens

Also, ins Fitnesscenter müssen wir wirklich nicht, und auch die Restaurant-Terrasse ist kein Menschenrecht, denn wir haben ja immer noch ein paar Bücher zuhause. Oder fehlen doch einige? Nun, hier sind sie: mehr als 600 antiquarische Bücher zu einem geradezu unverschämt günstigen Preis.

Da ist zum Beispiel Erich Kästners Roman «Fabian» aus dem Jahr 1931. «Der Gang vor die Hunde» hatte Kästner den Roman ursprünglich nennen wollen, und so ist er in einer Neuauflage 2013 auch wieder benannt worden. Den Gang tritt Fabian an, durch die in Auflösung befindliche deutsche Gesellschaft nach den Goldenen Zwanzigern, die natürlich gerade in Deutschland nie so golden gewesen waren.

Erich Kästner: Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. Ungekürzte Ausgabe. 491. – 510. Tausend. Ullstein Buch 102. Ullstein Verlag, Frankfurt am Main 1980 (Erstausgabe 1931). 190 Seiten, Broschur. Etwas verfärbt, Gebrauchsspuren. (3 Franken)

Oder, klassisch, antifaschistisch von Thomas Mann «Ein Briefwechsel» von 1937. Die Broschüre dokumentiert den Brief, oder besser den dürren Satz, des Dekans der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, mit dem dem exilierten Thomas Mann im Dezember 1936 die Ehrendoktorwürde abgesprochen wurde; und Thomas Manns Antwort darauf – ein schönes Beispiel kämpferischen Humanismus.

Thomas Mann: Ein Briefwechsel. Verlag Oprecht, Zürich 1937. 16 Seiten, einfacher Einband. Leicht gebräunt, sonst gut. (10 Franken)

Natürlich gibt es auch neuere feministische Literatur, etwa Vilma Hinns «mannundfrauspielen. Von einer die auszog das Frausein zu lernen». Eigenhändig geschriebener Bericht in fünf Büchern. Das fünfte Buch ist die (Auflösung) und steht daher hinten Kopf, damit es – wenn Sie dieses Buch umkehren – wieder auf die Füsse und an den Anfang zu stehen kommt. rotpunktverlag, Zürich 1982. 272 + 38 Seiten, Broschur. Minime Anstreichungen, sonst gut. (3 Franken)

Krimis sind ebenso erhältlich. Zum Beispiel der zweite Roman von Margaret Millar (1915–1994), erst spät ins Deutsche übersetzt. «Steve, traumatisierter Kriegsveteran, aber deshalb nicht weniger charmant, holt Martha aus dem Kokon ihrer perfekten Ehefrau heraus und drängt sie zu unbequemen Entscheidungen», wird im Klappentext versprochen.

Margaret Millar: Umgarnt. Roman. Aus dem Englischen von Monika Elwenspock. Deutsche Erstausgabe. Diogenes Verlag, Zürich 1995 (Originalausgabe 1947). 304 Seiten, Broschur. Guter Zustand. (3 Franken)

Dann wiederum, aus der Ex-DDR, die damals noch die «DDR» war: Wolf Biermanns drittes Gedicht- und Liederbuch, und, wie es auf dem Umschlag schlau heisst: «Texte für und über die DDR, geordnet nach Kategorien des Strafgesetzbuchs: Vergehen. Verleumdung. Hetze. Unzurechnungsfähigkeit. Mildernde Umstände. Das Plädoyer gilt nicht der Anerkennung bestehender Verhältnisse, sondern ihrer proletarisch-demokratischen Veränderung.« Eine immer noch berührende Mischung aus kraftvollen Bildern, scharfen Formulierungen und verzweifelten Hoffnungen; interessant, aber verständlich, im Rückblick, die vielen historischen Bezüge etwa auf Rosa Luxemburg, als Absicherung und Provokation: »Problem der Organisation: Die Revolutionäre:/ Sobald sie sich organisierten/ Schlachteten sie sich gegenseitig ab/Aber sobald sie sich nicht organisierten/Wurden sie abgeschlachtet.«

Wolf Biermann: Für meine Genossen. Hetzlieder, Gedichte, Balladen. Mit Noten zu allen Liedern. Quartheft 62. Mit einer «Gebrauchsanweisung für Leser in kapitalistischen Staaten». Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1972. 92 Seiten, Broschur. Ganz leichte Gebrauchsspuren. (3 Franken)

Aus den USA ist eingetroffen «Acid» zur neuen US-Lyrik. Eine der erfolgreichsten Anthologien mit moderner Literatur. Bei der Erstausgabe 1969 war diese mit vielen Illustrationen und Comics angereicherte Bestandesaufnahme der in den deutschen Sprachraum gebrachten Beat-Literatur bereits recht erfolgreich (20´000 Exemplare in zwei Auflagen); ab 1975 zog das Interesse – auch parallel zum Unfalltod des jung verstorbenen Herausgebers und Übersetzers Rolf Dieter Brinkmann (1940–1975) – wieder an, so dass in den nächsten drei Jahren weitere 30´000 Exemplare abgesetzt wurden. Von der Taschenbuchausgabe 1981 verkauften sich dann innerhalb eines Jahrs erstaunliche 60´000 Stück.

«Acid. Neue amerikanische Szene». Herausgegeben von Rolf Dieter Brinkmann und Ralf-Reiner Rygulla. 16. Auflage, 101. -115. Tausend, Zweitausendeins, Berlin 1982 (Erstausgabe 1969). 424 Seiten, Broschur, breites Taschenbuchformat, mit vielen Fotografien und Illustrationen. Gebrauchsspuren. (3 Franken)

Wie es sich für den bücherraum gehört, gibt es auch Theorie, etwa Nummern der  «Zeitschrift für kritische Theorie» 1999 debattiert Michael Th. Greven das Arbeitsprogramm des Instituts für Sozialforschung und damit den Stellenwert der Kritischen Theorie; Gerhard Wagner schreibt zu Walter Benjamin und Jan Robert Bloch über Naturkunst als Vorschein eines besseren Seins, dazu handelt Wolfgang Fritz Haug weit ausgreifen und immer noch aktuell über Kapitalistische Krise und Kritik der politischen Ökonomie heute.

Zeitschrift für kritische Theorie. 5. Jahrgang, 8 / 1999. Zu Klampen Verlag, Lüneburg 1999. 134 Seiten, Broschur. Guter Zustand. (3 Franken)

Als Alternativprogramm dazu Zeitschriften aus der Jugendbewegung wie der «Eisbrecher», und als Ergänzung etliche Ausgaben der erstaunlichen «neutralität» aus den sechziger Jahren, viele Nummern des «Widerspruch» ebenso wie viele Hefte der «beiträge zur feministischen theorie und praxis.

Für die zwischenzeitliche Erholung sind auch Comics zu erwerbenen, etwa von Claire Bretécher: Alles, was den urbanen Mittelstand heute bewegt, ist hier schon hübsch witzig dargestellt.

Die Frustrierten 4 und 5. Deutsche Texte von Rita Lutrand und Wolfgang Mönninghoff. Rowohlt Verlag, Hamburg, 1. Auflage 1980 (OA 1979). A4-Format, 64 Seiten, Broschur. (Je 4 Franken)

Das alles und viel mehr lässt sich auf dieser Website begutachten unter http://www.stefanhowald.ch/bookcase/index.php?frontpage. Die Bücher kosten zwischen 3 und 10 Franken; sie können jeweils am Freitagnachmittag im bücherraum f an der Jungstrasse 9 beim Bahnhof Zürich Oerlikon bezogen werden, oder werden mit einem Versandkostenanteil von 4 bzw. 7 Franken zugeschickt.