«Brücken sind ein Zeichen unserer Ohnmacht»

Neues von Dora Koster. –

Rund 140 Gemälde und Zeichnungen von Dora Koster sind dokumentiert, etliche im Original, die meisten durch Fotografien, die sie selbst von ihren Bildern angefertigt hat. Einige sind privat aufgehängt oder gelagert, andere mögen bei einem Umzug nicht mitgekommen sein. Von vielen freilich ist nicht bekannt, wo sie je waren und womöglich geblieben sind. Jetzt sind sechs neue Gemälde zur Forschungsstelle Dora Koster im bücherraum f gekommen. Und zwar aus dem Bestand von Vroni und Daniel Nufer, deren wunderbare Buchhandlung pile of books auf Ende März leider schliesst.

Ein, zwei Bilder darunter sind Gelegenheitsarbeiten, schnell hingeworfen, nicht weiter ausgearbeitet. Drei verdienen Beachtung. Da ist eine frühe Landschaft von 1987, mit kräftigem Strich, oder Pinsel, in drei Farbschichten aufgerissen. Dann, im Kleinformat, einer der so heiss geliebten blauen Vögel. Der selbst ist etwas gar kindlich geraten, aber die in Schachteltechnik aufgetragene, geradezu dreidimensionale Umgebung demonstriert das charakteristische Farbempfinden von Dora Koster. Schliesslich eine Weihnachtsszene, mit Kerze und Christbaum. Das ist vertikal in vier Farbschichten koponiert. Wiederum geht Dora Koster ungeduldig über eine formgemässe Darstellung des Christbaums hinweg, den sie schnell in Gelb und Grün hinstellt, vor eibnem heftigen Blau, malt dagegen die Kerze im glühenden Rot, das in ein ausdrucksstarkes, vielfach abgestuftes Violettbraun übergeht.

An die Forschungsstelle übergeben haben die Nufers auch ein Konvolut an Manuskripten. Manuskripte hat Dora Koster gelegentlich verteilt, als Freundschaftsgabe oder auch, um einen Text sicherzustellen, vor möglichen Verlusten oder gar Entwendungen durch missgünstige Menschen, von denen es in ihren Augen nicht wenige gab. Aus dem Konvolut ist einiges schon im Nachlass vorhanden, etwa ein in sich geschlossenes Manuskript zum Buch «Abschied von den Tigerfinken» (1996), einst vom Schreibenden abgetippt und druckfertig aufbereitet. Zwei kürzere Erzählungen sind ebenfalls schon der Zentralbibliothek übergeben worden. Kleinere Dokumente vervollständigen anderes Material, etwa die Werbung für zwei Lesungen 1997, im Manor im Letzigraben und im Seedammzentrum – Dora Koster hat solche Auftritte gelegentlich durch ihre Hartnäckigkeit organisieren können. Dann gibt es eine satirische Geschichte über den Fitnesswahn, geschrieben, als sie selbst als Putzkraft in einem Fitnessstudio arbeitete, wobei sie gleich das entsprechende Schreibpapier akquirierte.

Am bemerkenswertesten sind zwei kleinere Schreibhefte mit Gedichten von Anfang 1996. In einem finden sich grössere Gedichte, eher bitter, wie man es von ihr immer wieder kennt, in dieser Zeit vor allem, in der Rückerinnerung an die schwere Jugend, im Wüten gegen Pfarrer und Nonnen und Kirche und vielleicht auch gegen den gefühllosen Gott, von dem es allerdings heisst: «Gott weint nicht / er regnet nur / in unsere verstaubten Seelen». Tatsächlich waren solche aphoristischen Kurzgedichte eine Stärke von Dora Koster. Das andere, kleinere Heft enthält denn auch, leider nur ein paar Tage lang, einen Sinnspruch pro Tag. «Träume sind / wie Schmetterlinge /sie verraten / unser Biotop» bindet die zuweilen etwas gar schwärmerische Metaphorik der Natur an einen Gedanken aus der Seelenpsyche. «Brücken sind ein Zeichen / unserer Ohnmacht», heisst es schliesslich, und da entspringt der immer wieder als belastend empfundenen Situation ein ebenso paradoxer wie tief reichender Gedanke. Ja, Dora Koster sollte als Persönlichkeit wie als Künstlerin nicht vergessen gehen.

 

Neu im bücherraum f sind auch ein paar Originalausgaben von “Abschied von den Tigerfinken” eingetroffen. Wie die meisten Bücher von Dora Koster, die in Nachdrucken vorliegen, können sie für 12 Franken bezogen werden: buch@buecherraumf.ch.