Ein elendes Weib mit losem Mundwerk: Marlene Stenten

Mit ihrem dritten Buch «Puppe Else – eine lesbische Novelle» von 1977 wurde Marlene Stenten zu einer Pionierin. Erstmals seit den dreissiger Jahren präsentierte eine deutsche Autorin eine lesbische Erzählerin. Madeleine Marti (Vortrag) und Nathalie Raeber (Lesung) stellten die Autorin und ihr Werk am 3. Dezember im bücherraum f vor.

Stenten, Jahrgang 1935, wuchs in Krieg, Nachkriegszeit, dann in den fünfziger Jahren auf: bedrückende, beengte Verhältnisse. Marti skizzierte, wie Stenten in einem ersten, bei Luchterhand erschienenen Roman lesbische Erfahrungen durch die Hauptfigur eines Schwulen maskierte. Für ihr Coming out als lesbische Autorin musste sie dann in einen Kleinverlag ausweichen. Ab 1978, über vierzig Jahre lang bis zum Tod 2019, lebte sie in Konstanz, mit vielfältigen Beziehungen zur Schweiz. So veröffentlichte der eco-Verlag 1986 ein erstes Buch von ihr, danach zwei weitere, die noch immer in der edition 8 erhältlich sind. Marti wies auf die gespaltene Rezeption hin, auch in lesbischen Kreisen wurde zuweilen moniert, durch die ironische bis bissige Schreibe lasse sich das biografische Umfeld allzu schonungslos erschliessen. Den Vortrag von Marti punktierend, las Natalie Raeber zur Illustrierung Auszüge aus drei verschiedenen Werken.

Vortrag und Textpassagen lassen sich hier nachhören:

Madeleine Marti hat 1991 eine grundlegende Dissertation vorgelegt, «Hinterlegte Botschaften. Die Darstellung lesbischer Frauen in der deutschsprachigen Literatur seit 1945». Eine neu sich entwickelnde lesbische Literatur wird in den Zeitumständen rekonstruiert, wobei einzelne Autorinnen einlässlicher analysiert werden, darunter auch Marlene Stenten. Warum sich diese selbst als «ein elendes Weib mit losem Mundwerk» bezeichnet hat, wurde in der anschliessenden Diskussion erörtert. Marti, die Stenten bis zum Tod im letzten Jahr immer wieder getroffen hat, schilderte eine Persönlichkeit, die lange Jahre eher am gesellschaftlichen Rande gelebt habe, aber in ihrer Umgebung hoch geachtet gewesen sei. Auch Verlegerin Verena Stettler konnte dazu Details beisteuern. In der Diskussion ging es zudem um den Nachlass, der teilweise bei Madeleine Marti liegt und der Aufarbeitung harrt. Im bücherraum f ist im Übrigen ein Buch mit einer persönlichen Widmung in Gedichtform von Marlene Stenten vorhanden.

Diese Ausführungen lassen sich hier nachhören: