Von Telefonkabinen zu Kühlschränken und zurück bücherräumereien L: Büchertauschbörsen

Und da heisst es, Bibliotheken und Buchhandlungen seien gefährdet. Stimmt ja auch. Andererseits schiessen Bibliotheken wie Pilze aus dem Boden (andere Metaphern sind verfügbar). Oder besser Tauschbörsen. Wo ausgelesene Bücher ausgetauscht werden können. Wo es also noch vor dem Lesen um indirekte Kommunikation und Partizipation geht. Auch sie versammeln Bücher, wechselnde, eben partizipativ. Unsere Hoffotografin Monika Saxer hat ein paar ungewöhnliche Büchersammlungen aufgespürt und im Bild eingefangen.

Diese Verzweiflung, wenn das Handy ausfällt und die lieben Mitmenschen sich nicht von ihren Videospielen losreissen wollen. Wo findet sich noch eine Telefonkabine? Und dann ist sie womöglich noch anderweitig besetzt. Mit Büchern, die ja die meisten Handygespräche überflüssig machen würden. Diese hier in Hofstetten SO ist, gleich neben der Busstation Milchhüsli, professionell gestaltet, samt Ludothek. 

 

Die Form erinnert an ein Vogelhaus. Oder an ein Chalet. Jedenfalls ist das Holz ökoverträglich. An der Funkwiesenstrasse in Schwamendingen werden vor allem Krimis angeboten. Ob das Leben im Quartier zu langweilig ist? Man beachte allerdings die geheimnisvolle Figur mit rotem Pullover im Kasten, vor oder hinter den Büchern. Zudem wird sogar eine Website angegeben, um verschiedene Kommunikationsformen zusammenzubringen.

Wie ein Insektenhaus klebt diese Bibliothek in Lieli an einer Wand. Globi blickt schelmisch – wie er öfters beschrieben wird – hinter dem Holzgestell hervor. Auch für Kinder geeignet, soll man das wohl lesen, und entsprechend sind die untersten Regale in Griffweite für eben solche angebracht. Zu Oberwil-Lieli gibt es verschiedene Assoziationen, wir möchten hier aber nur auf den dortigen Gemüseversand hinweisen, der sogar ein Depot in Oerlikon am Gubelhang unterhält.

 

Nochmals in Schwamendingen, dem wir also viel Lesehunger zubilligen wollen, oder zumindest eine literaturaffine Bewohnerin. Gelegentlich gibt es bei öffentlichen Tauschbörsen die Notwendigkeit, den Schrank von unliebsamen Abfällen zu reinigen, oder auch von nicht ganz so spannenden Büchern, etwa über Bridget Jones (sooo 90er-Jahre) oder zu mehreren Shades of Grey, wobei letztere Schattierungen angeblich durchaus eine gewisse Spannung zu erzeugen versuchen, was sich am Objekt vorläufig nicht überprüfen lässt, da auf die Schnelle kein gleichwertiges Buch für den Umtausch zur Hand war. 

 Das sieht hier ein bisschen gediegener aus, kein Wunder, es gehört zu einer Genossenschaftsüberbauung. Und vom Hörensagen her gehört es zum Kulturauftrag aller grösseren Zürcher Wohnbaugenossenschaften, eine Büchertauschgelegenheit anzubieten. Die immer wieder allerdings polemisch beklagte Belegung der Genossenschaftswohnungen durch eine gleichmässig links-alternative Klientel liesse sich durch eine soziologische Mikrostudie über die Inhalte solcher Einrichtungen im Vergleich mit andern zweifellos zweifelsfrei widerlegen.

Dies ist wohl einer der ältesten öffentlichen Bücherkästen, dort, wo man in Wollishofen nach der Tramhaltestelle Billoweg zum Theaterspektakel abbiegt. Früher wollte man sich nicht mit irgendwelchen Büchern beschweren, bevor man in einem der Zelte mehr oder weniger bequem Platz nahm; jetzt locken seltsame Titel: «Hotel Fidel Castro» soll die neun Jahre beschreiben, die ein US-Amerikaner wegen des Besitzes von allzu viel Marijuana in «Kubas Gulag» verbracht hatte; «Medizin auf totem Gleis» ist ein schon 1975 publiziertes Buch aus anthroposophischer Ecke über oder gegen die Schulmedizin; daneben stehen noch ein paar dieser eigentümlichen Bücher, die nur in Flughäfen zu erwerben sind.

Noch eine Telefonkabine, nein, eine spezielle Konstruktion. Am Schwamendingerplatz geht es etwas urbaner zu, da mehr öffentliche Funktionen übernommen werden müssen. Die Büchertauschbörse geht schon beinahe in die Kleidertauschbörse über, und den Inhalt des eingestellten Plastiksacks getraut man sich nicht vorzustellen geschweige denn zu behändigen. Graffiti dürfen auch nicht fehlen, wobei eines zu jenem Zürcher Fussballclub zu fehlen scheint, dessen Name, etwas paradox, das ganze Zürcher Unterland überzieht

Dieser Kühl-/Bücherschrank kann schon beinahe als Designobjekt gelten, Stichwort Retro Chic. Einen Sprachwitz zum Intern et gibt es natürlich auch. Und dann sind die Ankündigungen in English! Das muss in einem, schon seit längerem oder seit neuerem, angesagten Quartier stehen, sagen wir im Seefeld, oder zumindest dem Inhalt nach an der Grenze zu einem angesagten Quartier. Jedenfalls ist das nicht so sehr Kunst am Bau als Kunst vor dem Bau.

 

Kehren wir zu den handfesteren Telefonkabinen zurück. Die gibt es sogar im fernen Jura, ebenfalls professionell gestaltet, gleich neben einem Hotel, das leider geschlossen ist, das aber neben einem altmodisch imposanten Hotel steht, das geöffnet ist, und wo man sogar einen Schlüssel fürs Wochenende kriegt, wenn sonst niemand im Haus haust. Im Übrigen fährt auch noch ein Bibliotheksbus überland übers Land. Kein Wunder, wird hier sozialdemokratisch gewählt.

(sh)