Bücherräumereien (II)
Martin Buber korrespondiert mit einem F. und schmückt seine Bücher mit einem besonderen Buchzeichen.
So geht es einem mit Büchern. Da trifft eine E-Mail-Anfrage eines Universitätsinstituts ein, zu einer kleinen Debatte von 1949, die in der Zeitschrift «Neue Wege» ausgetragen worden war: Ob ich vielleicht wisse, wer damals für die Zeitschrift mit dem Kürzel «F.» tätig gewesen sei. Es gehe um eine Buchrezension, die den eminenten jüdischen Gelehrten Martin Buber zu einer kurzen Erwiderung provoziert habe, und für eine neue Werkausgabe von Martin Buber wäre jeder Hinweis auf diesen «F.» wertvoll.
Nun habe ich vor ein paar Jahren mit dem leider verstorbenen Willy Spieler und Ruedi Brassel-Moser am Buch «Für die Freiheit des Wortes» zusammengearbeitet, in dem «ein Jahrhundert im Spiegel der Zeitschrift des religiösen Sozialismus» aufgearbeitet worden ist, und habe dabei etliche Jahrgänge der «Neuen Wege» gelesen. Aber ein wirklicher Spezialist bin ich nicht; es fehlt uns schmerzlich Willy Spieler, der diese Frage sofort – na, sehr schnell – hätte beantworten können.
Verdankenswerterweise sind die «Neuen Wege» mittlerweile elektronisch erschlossen – das war noch von Willy Spieler vor seinem unzeitigen Tod veranlasst worden. Also schaue ich schnell die Jahrgänge 1947 bis 1953 durch (die schon im Original durch ein Jahresverzeichnis mustergültig erschlossen waren), und darin gibt es nur einen einzigen, eben den fraglichen, Artikel, der mit «F.» gekennzeichnet ist. Um einen regelmässigen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin kann es sich also nicht gehandelt haben; und unter den gelegentlichen stechen mir nur zwei in die Augen, deren Name mit F. begann: Es könnte sich womöglich, denke ich, um den Marxisten Konrad Farner gehandelt haben, obwohl der erst 1952 quasi offiziell im Rahmen der «Neuen Wege» auftauchte und das entsprechende Buch des konservativen Soziologen Othmar Spann wohl noch schärfer kritisiert hätte. Knapp möglich wäre auch Paul Furrer, der 1956 die Redaktion der Zeitschrift übernahm, doch in den Jahren zuvor als sympathisierender Lehrer vielleicht ein Pseudonym wählen musste. Aber das ist alles, wie ich in meiner Antwort ans Universitätsinstitut bereitwillig einräume, ein bisschen aus der Luft konstruiert, und so wird die Frage nach dem «F.» in der Martin-Buber-Werkausgabe wohl unaufgelöst bleiben.
Am gleichen Tag allerdings schaue ich in ein Büchlein, das ich aus einem Nachlass für den bücherraum f bekommen habe, eine Sammlung von Ex Libris des deutsch-jüdischen Grafikers EM Lilien (1874 – 1925). Das ist 1973 in London offenbar vom Sohn zusammengestellt und herausgegeben worden, als Liebhaberdruck in begrenzter Auflage, und enthält die Reproduktionen von neununddreissig Buchzeichen, die Lilien zwischen 1897 und 1907 für verschiedene Leute verfertigt hat. Sie sind in gewieftem Jugendstil gehalten, es finden sich, passend zum Namen, etliche Lilien und Lianen und andere Linien, dazu sanft gerundete Frauen, die offenbar eine Muse oder eine Leserin oder die Bücher als solche repräsentieren, und deren lange Haare ihren Körper mehr oder weniger bedecken oder enthüllen, auch einige muskulöse, ebenfalls freikörperkultürliche Jünglinge. Andere Buchzeichen sind spezifischer gemacht, den Tätigkeiten der Auftraggeber entsprechend, zu denen bekannte Persönlichkeiten wie Franz Oppenheimer oder Stefan Zweig sowie jüdische Organisationen zählen. Und, siehe da, auch Martin Buber. «Mein ist das Land» ist dessen Buchzeichen angeschrieben und zeigt ein Jerusalem, ummauert in der Form eines Davidsterns. Meiner abschlägigen Antwort ans Universitätsinstitut bezüglich der Identität von «F.» schliesse ich den Fund bei, der dort offenbar noch unbekannt ist, und so kann ich zumindest etwas Inoffizielles zur Buber-Forschung beitragen.
Unter den Buchzeichen findet sich übrigens auch eines für Anna von Münchhausen, die Frau des Schriftstellers Börries von Münchhausen; aber der Bezug dazu ist dann eine andere Bücherräumerei.
sh